Lange lange ist es her. Doch es gibt eigentlich keine bessere Zeit zu träumen und in Erinnerungen zu schwelgen, als jetzt, wo das Reisen nur schwer zu realisieren ist. Wir hatten damals einen Kurzbericht aus Palmerston gesendet, von diesem kleinen Inselchen auf dem Georg seinen 40. Geburtstag feiern durfte. Vielleicht erinnert ihr euch noch? Mit einem „Welcome in our Paradise!“ wurden wir damals durch einen Zoll-/Immigrationsbeamten, gekleidet in einem rotgeblümtem Hemd, begrüßt.
Unsere Fotoauswahl ist bereits seit 2017 hochgeladen und endlich dürft ihr teilhaben an der Inselschönheit und unseren Erlebnissen auf der Insel der Familie Marsters.
William Marsters ließ sich 1860 in diesem Atoll nieder, zunächst mit zwei Frauen und nach einer weiteren Reise brachte er noch eine dritte mit auf die Insel. Insgesamt bekam er mit den drei Frauen 17 Kinder und wurde Großvater von 54 Enkelkindern. Die Insel teilte er in drei Gebiete auf, für jede Familie ausreichend Platz sich nach Regeln zur Inzuchtsvermeidung weiter fortzupflanzen und Gärten zu bewirtschaften. Seine Nachfahren hießen auch nach seinem Tod besuchende Seefahrer immer Willkommen und so war es auch heute noch.
Nach dem wunderschönen Aufenthalt in Maupihaa und einer fünftägigen Passage bei guten Wetter erkannten am Morgen des 13.10.2016 Backbord voraus Umrisse eines Atolls: Palmerston, zugehörig zu den Cook Inseln, von denen Rarotonga die wahrscheinlich Bekannteste sein wird. Aufgrund sehr schlechter Ankerbedingungen konnten wir Palmerston nur anlaufen, wenn das Wetter es zulassen würde. Glücklicherweise tat es dies! Wir funkten die Insel an und uns wurde gesagt, dass wir an den Moorings erwartet werden würden. Für die Insulaner ist diese Funkannahme eine Art Rennen. Derjenige, der als erstes antwortet, darf die Mooring zur Verfügung stellen und macht sich zur verantwortlichen Gastfamilie der Segler. Das bedeutete ihnen sehr viel, nicht nur wegen den sozialen Kontakten, auch die daraus entstehenden Tauschgeschäfte in Sachen Proviant waren für sie überaus interessant, insbesondere weil das Versorgungsschiff von der Hauptinsel nur alle 3-6 Monate kam. Wir wurden von Edward und seinem Sohn David begrüßt, die uns professionell zwei Mooringbälle zuwiesen und uns halfen ZIG ZAG daran zu befestigen. Sie erklärten uns das nun noch jemand vom Zoll und von der Gesundheitsbehörde an Bord kommen würde und nach einigen Formalitäten, einer 20 Dollar Einklarierungsgebühr und dem kompletten Einsprühen des Innenraums des Bootes mit Pestiziden waren wir fertig.
Wir wurden eingeladen mit ins Dorf zu kommen. Dafür würde man uns in ca. 1 Stunde abholen. Klang zunächst einmal seltsam, denn normalerweise fahren wir mit unserem Dingi immer dann an Land, wann es uns passt. Wir waren auch etwas erschöpft von den letzten Tagen auf dem Wasser, doch das Adrenalin der Neugierde siegte und wir nahmen die Einladung freudig an. Die bewohnte Hauptinsel liegt allerdings innerhalb und die Mooringplätze außerhalb eines großen Riffes und der größte verfügbare und passierbare Pass für ein Dingi ist sehr schmal, flach und kaum erkennbar. Er schlängelt sich, selbstverständlich nicht eindeutig betont, durch flache Riffe und durch die brechenden Wellen. Nach der ersten Fahrt hindurch waren wir ganz dankbar über diesen Taxiservice. Auch nach der zweiten, dritten und vierten Fahrt, waren wir begeistert von dem Speed und der Geschicklichkeit mit der uns die Locals durch das Nadelöhr manövrierten. Am ersten Tag wurden wir an Land auch von John, Edwards jüngstem Sohn und auch von Simon, Edwards Bruder begrüßt. Die Frauen der Familie waren für einige Monate aus gesundheitlichen Gründen in Rarotonga, bis auf die nicht mehr mobile Großmutter, die tagtäglich in einem Bett auf der Terrasse verweilte. Sie lächelte uns stetig freundlich zu und genoss den Anblick von Mia und Noah, wie sie die Hühnchen verfolgten oder mit dem Laufrad herum sausten. Es gehörte zur Gepflogenheit für die Gastfamilie die adoptierten Segler über die Insel zu führen, Frage und Antwort zu stehen und gemeinsam zu lunchen. So wurde uns gleich nach unserer Ankunft ein im Kettenofen gegarter Papageifisch angeboten. Ein kulinarisches Highlight!
Palmerston: das Paradies von aktuell 56 Einwohnern (inklusive uns vieren), einigen tropischen Vögeln, vielen vielen Einsiedlerkrebsen und unserer ZIG ZAG, dem einzigen Segelschiff weit und breit. ZIG ZAG war eines der letzten, der insgesamt 50 Boote, die 2016 hier halt gemacht hatten. Was schätzten wir uns glücklich das erleben zu können. Nach Französisch Polynesien war dies seit Monaten für uns die erste englischsprachige Bevölkerung. Großartig. Auf unserem Inselrundgang zeigten sie uns ihre Solaranlage, ihren mächtigen Generator, die riesen Satellitenschüssel, über die sie Internetfähig waren (danke eines befreundeten Seglers, der die Anlage eine Woche zuvor repariert hatte) ihre Krankenstation, die Kirche und auch die einzige Schule des Dorfes, die den wunderschönen Namen ‚Lucky School‘ besaß. Die Schule wurde von 26 Kindern besucht, bei einer Bevölkerung von 52, bleiben da noch 36 Erwachsene, eine durchschnittlich sehr junge Gemeinde, die wir nahezu lückenlos während unseres Aufenthaltes kennenlernen durften. Alle Häuser hatten einen Festnetzanschluss und waren so kommunikativ verbunden.
Unser Gastvater Edward liebte es zu singen und Gitarre zu spielen. Am ersten Tag besungen wir unsere Ankunft, am zweiten Tag das Geburtstagskind Georg, am 3. Tag gab es ein Schulfest zu dem alle eingeladen waren und an den anderen Tagen fielen uns ebenfalls gute Gründe ein, dass Edward und seine Jungs uns musikalisch beglückten. Sie freuten sich sehr über ein paar unserer Spirituosen als Abwechslung zu ihrem selbstgemachten Palmenwein (20 Liter Wasser, 2 kg Zucker, 3 Löffel Hefe, einige Zeit stehen lassen und anschließend mit 2 Liter Kokosnusswasser mischen – gar nicht so schlecht;-) und dann fand ich sogar noch ein Päckchen Tabak an Bord welches Edward außerordentlich erfreute nach der Inbrunst zu schließen mit der er sang.
Wir freuten uns über die abwechslungsreichen Tage, unfassbar schöne, weiße Strände mit klarstem und absolut ruhigstem Wasser, Spaziergänge durch das Dorf, netten Begegnungen und einem super Ausflug zu einer anderen Insel im Atoll. Georg ging mit den Jungs fischen und zertrampelte beim Fische ins Netz treiben zu seinem Leidwesen so viele Korallen wie niemals in seinem Leben. Ich spielte mit den Kindern am Strand und spazierte durch das Dorf. Wir probierten Papageifisch in unterschiedlichsten Varianten; gegrillt, gegarrt im Erdofen, als Fischkuchen, wir probierten Fregattvogel (magere Biester) und aßen Süße Kokosnusswasser-Kekssuppe – alles sehr interessant. Wir kochten Spaghetti mit roter Soße im Gegenzug und so zogen die Tage ins Land. Sogar einer Trauerfeier wohnten wir kurz vor unserer Abfahrt als Teil der Marster Familie bei.
Wir lernten Melissa und Joshua, zwei Lehrer an der Schule kennen, die uns einen Internetzugang ermöglichten, um Geburtstagsgrüße zu senden und Wetterdaten abzurufen. Es war spannend sich mit ihnen über ihre Eindrücke vom Inselleben hier in der Gemeinschaft auszutauschen. Sie blieben zwei Jahre hier und hatten selbstverständlich auch noch mal vertiefende Einblicke in die gelebte soziale Kontrolle und die durchaus teilweise veralteten Erziehungsmethoden, in denen wie ich leider selber Zeuge wurde der Gürtel nicht nur im Hosenbund seinen Zweck erfüllte. Das war ein seltsames Gefühl der Machtlosigkeit. Ein Gefühl der Fremde und Fassungslosigkeit. Andere Länder – andere Sitten…die technische Entwicklung mochte fortgeschritten sein, doch die pädagogische hatte noch Entwicklungspotential; Melissa und Joshua hatten einen guten Draht zu Bevölkerung und ich hatte große Hoffnung in ihre erfolgreiche Unterstützung der Kinder und Familien.
Ein Highlight in unserer Woche war unter anderem auch der Kirchenbesuch am Sonntag. Lange Hosen und Hemd für die Herren, lange Kleider und Blumenhüte für die Frauen. Wir wurden durch Simon, in seiner schwarzen Anzugshose, weißem Hemd, barfuss geleitet. Frauen auf die rechte, Herren auf die linke Seite. Absolut unbeschreiblich waren dann die Klänge der 29stimmigen Kirchengemeinde, jeder wusste wann er wie seinen Einsatz hatte und wir waren einfach nur tief beeindruckt von Stimmlagen, Rhythmus und Dynamik – als würden die Englein singen!
Zwischen Niue und Tonga liegt die Datumsgrenze und wenn man diese wie wir von West nach Ost überquert überspringt man einen Tag. Ich hatte Georg irgendwann einmal vorgeschlagen unsere Route so zu planen, dass er einfach in diesem Jahr keine 40 wird. Doch soweit waren wir noch nicht gekommen, zum Glück! Das Wetter und die davon abhängigen Anlaufmöglichkeiten hatten uns beschenkt: Maupiti, Maupihaa und Palmerston – ewig dankbar!
„In your country you look right and left, here you need to look up and down.“ (In deinem Land musst du immer nach rechts und links schauen, hier schauen wir nach oben und unten. So wahr, Autos gab es in Maupihaa und Palmerston jeweils eines, doch Kokosnüsse und Einsiedlerkrebse bedürfen täglicher Aufmerksamkeit auf diesen letzten sehr abgelegenen Inseln.